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(C) S. Hofschlaeger, pixelio
Sind Sie noch „multikulti“ oder schon „interkulturell“? Mit dieser Frage möchte ich eigentlich nur eine Beobachtung widergeben, die außer mir wahrscheinlich auch andere in der letzten Zeit zunehmend gemacht haben: Es ist noch gar nicht lange her, da schien „multikulti“ in der Debatte um Integration und Deutschlands Selbstverständnis als Einwanderungsland das Schlagwort zu sein.
Sowohl Gegner als auch Befürworter nutzten den Ausdruck, um ihre Sicht der Dinge darzustellen – den Gegnern war er ein willkommenes Synonym für die Verabschiedung von Werten und der damit einhergehenden Überfremdung, die Befürworter verwendeten ihn nicht selten, um eine „bunte“ und tolerante Gesellschaft zu proklamieren, in der die Gemeinschaft allein durch das Motto „Leben und leben lassen“ schon funktionieren würde.
Doch nicht erst seit Angela Merkels Erklärung vom vergangenen Jahr, in der sie den Kurs des Multikulturalismus für gescheitert erklärte, scheint ein anderer Ausdruck in der öffentlichen Wahrnehmung immer präsenter zu werden: Interkulturalität. Wenn man die beiden Begriffe nun nebeneinander stellt, ist das ja eine durchaus positive Entwicklung, denn während die Multikulturalität eher das parallele Bestehen verschiedener Kulturen bezeichnet, geht es bei Interkulturalität um die Vernetzung, also darum, dass verschiedene Kulturen aufeinander treffen und sich gegenseitig beeinflussen.
Mein Anliegen ist nun allerdings weniger die Diskussion von Definitionen und Begrifflichkeiten als die Frage, wie man das steigende Bewusstsein für das Miteinander der in Deutschland lebenden Kulturen noch besser fördern kann? Allein beim Googeln des Adjektivs „interkulturell“ fällt auf, dass es jede Menge interkulturelle Kitas, Sportvereine, Migrantenplattformen und Vereinigungen gibt – manchmal kann man sich allerdings des Eindrucks nicht erwehren, dass ein Projekt auch gerne einmal das Label „interkulturell“ verpasst bekommt, einfach, weil es gut klingt.
Mir ist da spontan der Vergleich zum Biolabel eingefallen: Während vor etwa 10 Jahren nur wenige Waren und noch weniger Läden wirkliche biologische Produkte führten, scheint es heutzutage fast nichts mehr zu geben, was nicht „bio“ ist. Natürlich ist das eine Übertreibung, und natürlich stellt dies eine absolut positive Entwicklung dar, aber könnte es nicht auch sein, dass man dadurch, dass ja eh alles „bio“ ist, das Bewusstsein dafür verliert, was biologischer Anbau und biologische Lebensweise wirklich bedeuten? Oder, um wieder auf die Interkulturalität zurückzukommen: Was könnte man tun, um die steigende Bereitschaft für ein interkulturelles Miteinander auch wirklich in ein grundlegendes, tiefergehendes Interesse an der jeweiligen Kultur eines anderen umzuwandeln?
Bei dieser Frage ist sicherlich auch ein weiterer Punkt von Bedeutung: Es gibt in Deutschland zum einen die Menschen, die praktische Integrationsarbeit leisten, zum anderen aber auch interkulturelle Trainer und Berater aus dem wirtschaftlichen Kontext sowie aus der Wissenschaft, die regelmäßig in den Zielländern vor Ort sind. Ein wirklicher Austausch scheint zwischen diesen beiden Gruppen bisher noch nicht wirklich stattzufinden, aber hätte nicht gerade er eine positive Auswirkung auf das interkulturelle Miteinander?
Ich bin gespannt auf Ihre Gedanken.
Mit freundlichen Grüßen
Johannes Klemeyer